27.05.18 Unwetter in Hungen

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1) Vorgeschichte

 

  • Sowohl der April als auch der Mai 2018 hatten einen erheblichen Wärmeüberschuss!
  • Der April 2018 hatte einen Temperatur-Durchschnitt von 12,4 Grad Celsius! Das bedeutete gegenüber dem langjährigen Mittelwert 1961-1990 eine positive Abweichung von 5 Grad Celsius bzw. 4 Grad Celsius gegenüber dem Referenzwert der Jahre 1981-2010!
  • Zudem war der April mit einem Niederschlags-Mittelwert von durchschnittlich 35 Litern deutlich zu trocken und mit durchschnittlich 225 Sonnenstunden sehr "hell"!

 

  • Der Mai 2018 wies einen Temperatur-Durchschnitt von 16,0 Grad auf. Somit wurden die Temperatur-Rekorde aus den Jahren 1868 & 1889 eingestellt, jedoch nicht gebrochen! Das bedeutete gegenüber dem langjährigen Mittelwert 1961-1990 eine positive Abweichung von 3,9 Grad Celsius bzw. 3 Grad Celsius gegenüber dem Referenzwert der Jahre 1981-2010!
  • Der Mai 2018 wies im Bundes-Durchschnitt einen Niederschlags-Mittelwert von 50 Litern (Niederschlagssoll: 71 Liter) und einem erheblichen Sonnenstunden-Überschuss von 275 Stunden (Sonnenstundensoll: 196 Stunden), auf!

 

  • Verantwortlich für diese Wärmeperioden waren umfangreiche und sich selbst regenerierende Hochdruckgebiete über Nord- und Osteuropa! Mit östlichen Strömungen wurde sehr warme Kontinentalluft sowie mit südwestlichen Höhenwinden feuchtwarme Luft aus dem Mittelmeer sowie Teilen der Sahara herangeführt!
  • Störungen des Jetstreams (Höhenwind), welcher durch Erwärmungen der Arktis sowie Sibiriens verursacht worden ist, sorgte dafür, dass sich zum Einen Hochdruckgebiete ständig regenieren konnten und sich zum Anderen die Wind- und Niederschlagszonen durch Tiefdruckgebiete kaum vom Fleck rühren konnten! Die Druckunterschiede im Hectorpascal-Bereich waren nur marginal!
  • Die Unwetter-Ereignisse, welche sich bis Anfang Juni hineinzogen, waren ein "Wettrennen" zwischen 2 Giganten! 
  • Zum Einen ist das Hochdruckgebiet Uwe zu nennen, welches sich am 23.05.2018 über den Ostatlanik formte und sodann über Nord- und Osteuropa festsetzte und zum Anderen das Tiefdruckgebiet Wilma (Namensgebung am 25.05.18), welches sich am 24.05. über der iberischen Halbinsel formte und sich sodann nur minimal vom "Fleck" rührte!

 

  • Generell ist zu konstatieren, dass die kontinentalen Hochdruckgebiete die West-Ost Zugbahn von atlantischen Tiefdruckgebieten blockierten! Die Eisheiligen (11.-15.05.) mit Frosteinbrüchen fielen zudem komplett aus!
  • Die "Tiefdruckgebiete Mitteleuropa" blieben entweder auf der iberischen Halbinsel oder bei Frankreich "liegen". Lediglich Ausläufer der Höhentiefs streiften Deutschland und es entwickelten sich punktuell Unwetter-Ereignisse! 

 

  • Der deutsche Wetterdienst erfasst ca. 2.000 Messstationen! An diesen Stationen wurden nachfolgende Messaten erhoben und ausgewertet! Es handelt sich freilich um Durchschnittswerte, welche lokal extrem stark abweichen können, was vor allem Unwetter betrifft!

 

BundeslandTemperaturenNiederschlagSonnenschein
Baden-Würtemberg15,2 Grad Celsius90 Liter/m²220 Stunden
Bayern15,6 Grad Celsius75 Liter/m²250 Stunden
Berlin17,9 Grad Celsius20 Liter/m²345 Stunden
Brandenburg17,4 Grad Celsius15 Liter/m²340 Stunden
Bremen17,4 Grad Celsius5 Liter/m²325 Stunden
Hamburg17,2 Grad Celsius5 Liter/m²338 Stunden
Hessen15,9 Grad Celsius65 Liter/m²275 Stunden
Mecklenburg-Vorpommern15,8 Grad Celsius15 Liter/m²350 Stunden
Niedersachsen16,6 Grad Celsius25 Liter/m²305 Stunden
Nordrhein-Westfalen16,2 Grad Celsius45 Liter/m²280 Stunden
Rheinland-Pfalz15,7 Grad Celsius70 Liter/m²265 Stunden
Saarland15,7 Grad Celsius70 Liter/m²250 Stunden
Sachsen16,1 Grad Celsius45 Liter/m²280 Stunden
Sachsen-Anhalt16,7 Grad Celsius20 Liter/m²315 Stunden
Schleswig-Holstein15,6 Grad Celsius20 Liter/m²350 Stunden
Thüringen15,5 Grad Celsius65 Liter/m²265 Stunden
Schnitt Mai 201816,0 Grad Celsius50 Liter/m²275 Stunden

 

2) Unwetter

 

  • Unwetter beziehen ihre Energien aus sehr hohen Temperaturunterschieden vom Boden und aus der Luft! Erhebliche Druckunterschiede können zudem für hohe Windgeschwindigkeiten, und schnellen Verlagerungen von Hoch- und Tiefdruckgebieten sorgen!
  • Das Hochdruckgebiet Uwe mit seinem Kern über der Ostsee sowie Baltikum hatte einen sehr starken Kern von ca. 1030 HPa! Der Gegenpart war das Tiefdruckgebiet Wilma über Frankreich. Der Kern hatte einen Druck von fast 1020 HPa! Da sich Tiefdruckgebiete entgegen dem Uhrzeigersinn bewegen, wurde kontinuierlich mit Höhenwinden warme/heiße Luft sowie Feuchtigkeit aus dem Mittelmeerraum transportiert!
  • Die Konvergenzlinie lag über Deutschland. Es konnten sich gebietsweise langlebige Gewitterzellen mit Hagelschlag und Starkregen bilden, die sich zudem kaum vom Fleck rührten und sodann zum Ausregnen gezwungen worden sind!

 

3) Der Verlauf

 

  • Der Sonntag war mit Temperaturen bis zu 28 Grad Celsius sehr warm! Zum Abend bildeten sich Quellwolken!
  • Um 22.00 Uhr zogen zunächst extrem starke Gewitter auf, sodann folgten Hagelschlag und Starkregen!
  • Besonders betroffen waren die Hungener Stadtteile Trais-Horloff, Obbornhofen und vor allem Bellersheim!
  • Das Niederschlagsereignis dauerte ca. 2 Stunden!
  • Es entluden sich ca. 150 Liter Niederschlag auf einen Quadratmeter, welches mehr als das Doppelte des durchschnittlichen bundesweiten Niederschlagssoll des Wonnemonats Mai (71 Liter), entspricht! 
  • Übrigens umfasst das Fassungsvermögen einer herkömmlichen Badewanne ebenfalls 150 Liter!
  • Die Niederschläge überschwemmten ganze Straßenzüge, ließen Keller volllaufen, beschädigten Fahrzeuge oder zerstörten Mauerwerk!
  • Der Hagel türmte sich stellenweise auf eine Höhe von über 30cm!
  • Von den Berghängen lockerten sich durch die starken Niederschläge Erdmassen und lösten eine Flutwelle sowie Schlammlawinen im tiefer gelegenen Dorf Bellersheim aus! Zudem erfasste eine Flutwelle aus Bettenhausen den Hungener Stadtteil Bellersheim!
  • Der Hungener Bürgermeister sowie der Stadtbrand- und Kreisbrandinspektor waren im Krisenstab!
  • Den Hungener Feuerwehren kamen Florianjünger-Kollegen aus Bettenhausen, Buseck, Gonterskirchen, Grünberg, Pohlheim, Reiskirchen, Staufenberg und weiteren benachbarten Wehren zur Hilfe! Zudem waren das Deutsche Rote Kreuz und Mitarbeiter des Hungener Bauhofs im Einsatz!
  • Es waren über 200 Einsatzkräfte an rund 80 Einsatzstellen im Einsatz! 
  • Erhebliche Flur-Schäden wurden auch auf den landwirtschaftlichen Feldern angerichtet, so dass mit erheblichen Ernteausfällen gerechnet werden muss!
  • Die genauen Schadenssummen können freilich noch nicht genannt werden, dürften sich jedoch auf mind. 1 Millionen Euro belaufen!
  • Die unglaubliche Wucht dieses Unwetters kann getrost als "Jahrhundert-Ereignis" bezeichnet werden!

 

4) Analyse

 

  • Hungen ist die südlichste Stadt des Landkreises Gießen und liegt am Fuße des Vogelsberges sowie der Wetterau! 
  • Hungen erhebt sich 139m über dem Meeresspiegel!
  • Der Vogelsberg ist ein hessisches Mittelgebirge mit einer Erhebung von 773m über dem Meeresspiegel!
  • Gewitterzellen und Niederschlagsgebiete können eine sehr große Ausdehnung, sowohl in der Höhe (Teilweise mehrere Kilometer) als auch in der Breite (1-100 Kilometer) besitzen!
  • Treffen Gewitterzellen und Niederschlagsgebiete auf ein natürliches Hindernis, welches nun einmal die Berge darstellen, toben sich diese im wahrsten Sinne des Wortes aus! 
  • Ausläufer dieser Zellen, teilweise in "abgemilderter" Form, streifen Hungen sowie Umgebung! Es kam vor, dass ein Unwetterereignis Hungen getroffen hat und Stunden später das Unwetter vom Vogelsberg wie ein Bumerang zurückgeworfen worden ist!
  • Den Ortsteil Bellersheim traf es am schlimmsten! Hintergrund ist die sogen. "Muldenlage"! Extremer Starkregen mit 150 Litern/m² innerhalb von 2 Stunden, was z.B. dem Fassungsvermögen einer Badewanne entspricht, weichte Felder und Wiesen auf! Anhöhen sowie  das höher gelegene Dorf Bettenhausen liessen das Wasser ablaufen und verursachten eine Flutwelle sowie Schlammlawine!

 

5) Die Hungener Sintflut 1981

 

  • Ein extremes Starkregen-Ereignis wurde in Hungen vom 09.08 (15.00 Uhr) bis 11.08.1981 (09.00 Uhr) verzeichnet!
  • Sintflutartige Regenfälle liessen den Fluss Horloff überlaufen und setzten angrenzende Wiesen, Felder und Grundstücke unter Wasser!
  • In Mitleidenschaft gezogen wurden sowohl die Altstadt, als auch den alten (Jetziger Bürgerpark) und neuen Sportplatz! Es enstanden dort Seenlandschaften!
  • Die Kanalisationen konnten schlicht und ergreifend die gewaltigen Wassermassen nicht mehr aufnehmen!
  • Das Naherholungsgebiet "Inheidener/Trais-Horloffer See" wuchs zu einer erstaunlichen Größe an, so dass auch die angrenzenden Wochenendhäuser meterhoch unter Wasser standen!
  • Überflutungen waren zudem in den Stadtteilen Villingen, Langd, Rodheim, Steinheim, Trais-Horloff, Inheiden, Obbornhofen & Bellersheim zu verzeichnen gewesen!

 

6) Hochwasser

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  • Horloff-Hochwasser haben 4 natürliche Ursachen!
  • Zu nennen sind:
  1. Eis- und Schneeschmelzen im Vogelsberg;
  2. Eisstau oder Eisgang;
  3. Sintflutartige Regenfälle;
  4. Sättigung von Böden.

 

  • Eine "unnatürliche" Ursache ist generell immer das Fehlen natürlicher Rückhaltebecken infolge der Erschließung neuer Baugebiete, der Bebauung von Straßen, Wegen etc. und vor allem die Begradigung des Flussbettes!
  • Folgende Horloff-Hochwasser sind in der Chronik "1200 Jahre Hungen 782-1982" verzeichnet:
  1. 26.03.1957;
  2. 20.08.1958;
  3. 06.06.1961;
  4. April 1962;
  5. 14.12.1966;
  6. 27.12.1967;
  7. 24.02.1970;
  8. 03.09.1970.

 

7) "Blitz-Entfernungs-Rechner"

 

EreignisAusbreitung
Blitz300.000 Kilometer/Sekunde
Donner1236 Kilometer/Stunde
Entfernungsmeter343 Meter/Sekunde (Schall)
Abstand Blitz6 Sekunden (Licht)
Entfernung vom Gewitter2058 Meter bzw. 2 Kilometer