1978/79 Die Schneekatastrophen
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1) Vorgeschichte
- Es deutete bei der Wettervorhersage am 27.12.1978 nichts auf einen Schneesturm mit extremen Schneemengen hin! Im Gegenteil, es wurden fast frühlingshafte Temperaturen vorhergesagt! Kurz vor Weihnachten 1978 setzte darüber hinaus Tauwetter ein!
- Über Nordschleswig (Dänemark), Norddeutschland, dem Nordosten der damaligen DDR und vor allem über der Ostsee braute sich ein extremes Unwetterereignis zusammen! Es schneite 87 Stunden lang ununterbrochen!
- Sowohl ein umfangreiches Schneesturm-System mit Windstärke 10 als auch erhebliche Temperaturunterschiede mit bis zu 45 Grad Unterschied (Atlantische Warmluft sowie arktische Kaltluft) trafen die damaligen Gebiete mit unglaublicher Wucht! Zum Teil wurden Böen mit Windstärke 12, also Orkanböen erreicht!
- Am 13.02.1979 setzte erneut ein Unwetterereignis ein! Fast in ganz Deutschland lag immer noch eine geschlossene Schneedecke!
- In den betroffenen Gegenden wurde der Katastrophenfall ausgerufen, welcher in Deutschland sowie in der damaligen DDR den Einsatz des Militärs zum Schutz, zur Hilfe und zur Versorgung der betroffenen Gegenden erlaubte!
2) Die Front schlägt zu!
- Ein noch minder ausgeprägtes fennoskandinavisches Kältehoch sowie ein mitteleuropäisches Höhen-Tief stiessen direkt über der Ostsee zusammen!
- Durch die extremen Temperaturgegensätze (Skandinavien: -30 Grad; Süddeutschland: +15 Grad Celsisus) entwickelte sich ein umfangreiches Sturmsystem direkt über der Ostsee mit erheblichen Neuschneemengen!
- Ein extremer Lake Snow-Effekt: Der Lake Snow-Effekt tritt dann ein, wenn extrem kalte Luft aus dem fennoskandinavischen oder sibrischen Bereich auf eine im Vergleich hierzu "warme" Ostsee trifft! Da wärmere weniger kompakt als kältere Luftschichten sind, werden diese mit dem Höhenwind zum Aufsteigen gezwungen und fallen als Schnee mit erheblichen Niederschlagsmengen herab! Das durch die extremen Temperaturunterschiede entstandene Sturmsystem sorgte sodann für erhebliche Schneeverwehungen des Pulverschnees!
- Binnen weniger Stunden fielen bis zu 70cm Neuschnee! Bedingt durch Schneeverwehungen wurden Höhen von mehr als 5 Meter erreicht!
- Binnen weniger Stunden setzte darüber hinaus ebenfalls ein Temperatursturz von mehr als 20 Grad Celsius, ein!
- In Norddeutschland sowie dem Nordosten der damaligen DDR wurden Ortschaften komplett von der Außenwelt abgeschlossen! An sehr vielen Orten brach die Stromversorgung vollends zusammen!
- Die industrialiserte Landwirtschaft kam in den betroffenen Gebieten zum Erliegen! Es kam zum Teil zu humanitären Erschießungen von Nutztieren, um diese vom Leid zu erlösen!
- Aufgrund des schweren Sturms war zudem eine Versorgung der Nord- und Ostseeinseln aus der Luft nicht möglich. Schwere Gerätschaften wie z.B. Panzer kamen zum Einsatz!
- Kranke Menschen sowie hochschwangere Frauen wurden nach dem Unwetter aus den Unglücksgebieten ausgeflogen! Schlagzeilen machten die sogen. "Heli Babys"! Schätzungen zufolge wurden in Schleswig-Holstein 70 "Heli Babys" geboren!
- Hubschrauber warfen Futtersäcke, Nahrungs- und Lebensmittel, Windeln und Medikamente über die Häuser und Höfe ab!
- Das fennoskandinavische Kältehoch entwickelte weitere Kräfte nach dem Abzug des Höhentiefs! Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe: Der Albedo-Effekt wonach hellere Flächen (Schnee & Eis) mehr Sonnenstrahlen absorbieren als dunklere Flächen, welche diese hingegen speichern, bewirkte eine weitere Auskühlung! Die Temperaturen befanden sich nach dieser Katastrophe wochenlang im Minus-Bereich!
- Paradoxerweise entwickelte sich im Februar 1979 genau dasselbe Unwetter-Ereignis!
- Es wurden an 67 aufeinanderfolgenden Tagen (28.12.1978 bis 04.03.1979) eine komplett geschlossene Schneedecke registriert! Im Januar und Februar wurden im Mittel Schneedecken von 22cm bzw. 25cm Höhe gemessen!
- Teile der Ostsee froren zu! Zudem kam es durch Eisgang und Eisstau an einigen Stellen zum Deichbruch sowie Sturmhochwassers in den Städten Eckernförde, Flensburg, Kiel, Lübeck, Rostock und Weimar!
- Mitte März setzte zum 3. Male ein Unwetterereignis ein, mit jedoch glimpflicheren Wind- und Niederschlagsmengen!
- Das Abtauen der Schneemassen sowie Eisgang und -stau erbrachte auch in vielen anderen Gegenden Deutschlands sowie der damaligen DDR, Hochwasser!
3) Die Daten des Frost-Schocks
1. Kältewelle | 28.12.1978 - 03.01.1979 |
2. Kältewelle | 13.02.1979 - 18.02.1979 |
Dezember 1978 | 0,3 Grad Celsius |
Januar 1979 | -4,5 Grad Celsius |
Februar 1979 | -1,8 Grad Celsius |
Winter 1978/79 | -2,0 Grad Celsius |
Winter 1978/79 | 175,3 mm Niederschlag |
4) Die Unterschiede zum Kältewinter 1946/47
- Zunächst einmal sollten die Daten sprechen!
Dezember | 1946: -2,3 Grad Celsius | 1978: 0,3 Grad Celsius |
Januar | 1947: -4,7 Grad Celsius | 1979: -4,5 Grad Celsius |
Februar | 1947: -6,6 Grad Celsius | 1979: -1,8 Grad Celsius |
Winter | -4,6 Grad Celsius | -2,0 Grad Celsius |
Niederschlag | 110,6 Grad Celsius | 175,3 mm Niederschlag |
5) Beide Winter unterscheiden sich jedoch in vielerlei Dingen!
- a) Grundsätzliches: Der Winter 1946/47, welcher auch unter dem Namen "Hungerwinter" firmiert wird, traf ein durch Kriegsschäden zerstörtes Deutschland! Infrastruktur (Fabriken, Wohnungen, Versorgungswege), Energie (Heizungen, Strom) und vor allem die Nahrungsmittelvorsorge (Dramatisch sinkender Kalorienverbrauch). Deutschland war zudem unter 4 Besatzungsmächten aufgeteilt! Im Winter 1978/79 waren sowohl Deutschland als auch die damalige DDR unter allierter Kontrolle der 4 Siegermächte: USA, Großbritannien und Frankreich für Deutschland sowie die Sowjetunion für die damalige DDR!
- b) Die Rollen der damaligen allierten Besatzungszonen: Vollständige Souveränität erhielt Deutschland noch vor der Wiedervereinigung am 03.10.1990 durch den 2+4 Vertrag am 12.09.1990! Im Gegensatz zum Winter 1946/47 waren in beiden Gebieten sowohl die NATO (Deutschland) als auch der Warschauer Pakt (Damalige DDR) als militärische Kräfte im Winter verfügbar! Im Winter 1946/47 war Deutschland durch die Kapitulation im selbst verschuldeten 2. Weltkrieg ein sogen. "failed state", also ein Staat, der alle seine Funktionen nicht mehr ausüben darf!
- c) Organisation, Hilfe, Koordination waren im Winter 1978/79 zudem auf breiteren Schultern aufgeteilt! Zudem hätte keine Allianz (Die westliche NATO sowie der östliche Warschauer Pakt) ein Interesse daran gehabt, den mittlerweile zu Industriestaaten aufgestiegenen Staaten Deutschland sowie der damaligen DDR den Bündnisfall zu verweigern!
- d) Katastrophenhilfe: 25.000 Menschen vom Technischen Hilfswerk und rotem Kreuz; 15.000 Feuerwehrleute sowie 3.000 Soldaten beim ersten Frostschock!
- e) Die Wetterlagen: Alle Indikatoren sprechen dafür, dass das kriegszerstörte Deutschland im Winter 1946/47 "Opfer" von einem trocken-kalten Winter in Verbindung mit extrem stabilen Hochdruckgebieten über Skandinavien und/oder Sibiren getroffen worden ist! Der sogen. Kahlfrost, extreme Kälteperioden ohne schützende Schneeflächen sorgten für den Zusammenbruch der Wintersaat sowie dem Zufrieren von Trinkwasserbrunnen! Der Winter 1978/79 hingegen war gekennzeichnet durch extrem kalte Abschnitte, die bei weitem nicht durchgängig denen des Winters 1946/47 entsprachen, die Schneemegen jedoch wurden um mehr als den Faktor 2/³ übertroffen! Ursächlich hierfür waren Hochdruckgebiete über Skandinavien in Verbindung mit Tiefdruckgebieten über Mitteleuropa, welche sehr extreme Druck- und Temperatur-Unterschiede verursachten!